Selbst Hand anlegen an orthopädische Implantationstechnik

Studierende des interdisziplinären Masterstudiengangs Biomechanical Engineering, der im Wintersemester 2022/23 gestartet ist, hatten die einmalige Gelegenheit an einem medizinischen Training zur Implantation einer Knieendoprothese unter der Leitung von Sascha Ruhland von der Mathys AG teilzunehmen. Unter fachkundiger Anleitung der Orthopäden Dr. med. Marcus Klutzny und Martin Lohrengel legten die Studierenden selbst Hand an die chirurgischen Werkzeuge, um Implantate an Kunstgelenke zu implantieren. Der interdisziplinäre Workshop fand im Rahmen der Lehrveranstaltung "Orthopädietechnik" unter der Leitung von Klinikdirektor Prof. Dr. med. Christoph H. Lohmann von der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg statt.

Selbst Hand anlegen an orthopädische Implantationstechnik (4 Bilder)

Fotos: Melitta Schubert (FME, Pressestelle)

 

Mit Säge und Bohrer das Knie reparieren

Erfahrungsbericht von Rebecca Höpfer als teilnehmende Studentin

Als Masterstudierende des Studiengangs Biomechanical Engineering vermittelt unser Studium neben den Grundlagen der menschlichen Anatomie, Physiologie und Bewegung auch die theoretischen Grundlagen der Mechanik und des Ingenieurwesens. Im Rahmen eines medizinischen Trainings bekamen wir die Möglichkeit einen tieferen und praktischeren Einblick in den faszinierenden Fachbereich der Gelenkendoprothetik zu bekommen.

Eine Knietotalendoprothese muss implantiert werden, wenn schwere, meist degenerative Veränderungen im Kniegelenk vorliegen. Die Implantation zielt darauf ab die Schmerzen der Patientinnen und Patienten zu lindern, die Gelenkfunktion wiederherzustellen und ihre Lebensqualität zurückzugewinnen. Auch wenn die auf dem Markt befindlichen Produkte eine beachtliche Erfolgsquote aufweisen, kann es zu Komplikationen kommen. Deshalb ist die Weiterentwicklung von gelenkersetzenden Implantaten ein zentrales Forschungsgebiet der Biomechanik.

In dem medizinischen Trainingsworkshop wurde uns die entscheidende Schnittstelle zwischen Ärzten und Ingenieuren vorgestellt. Nach einer kurzen theoretischen Einführung in die Implantationstechnik, begann für uns Studierende der praktische Teil.

Wäre nicht ein Kunststoffmodell eines Oberschenkel- und Schienbeinknochens auf den Tisch geschraubt gewesen, hätte die instrumentelle Ausstattung aus der heimischen Werkstatt stammen können: Zwischen einigen unbekannten Gegenständen lagen ein Hammer, eine Zange sowie ein elektrischer Schraubendreher und eine Säge. Exakt diese Werkzeuge werden bei dem realen chirurgischen Eingriff an einem menschlichen Kniegelenk verwendet, den wir simulieren wollten. Vor diesem Hintergrund begannen wir die folgenden Schritte vorsichtig an Kunstknochen umzusetzen. 

Um die anatomische Ausrichtung zwischen Hüfte, Knie und Sprunggelenk wiederherzustellen, ist die korrekte intraoperative Fixierung von Oberschenkelknochen und Schienbein sehr wichtig. Daher mussten wir zunächst einen Rahmen auf die Knochen schrauben und die Ausrichtung immer wieder mit einem einfachen Metallstab überprüfen. Nachdem die Sägeschablonen korrekt positioniert waren, schnitten wir mit der elektrischen Säge die hypothetisch beschädigten Gelenkflächen des Knies ab. Dabei war der Schutz der Seitenbänder entscheidend, um die Stabilität des Gelenks zu erhalten. 

Rebecca Höpfer montiert die Sägeschablone an den künstlichen Oberschenkelknochen Verwendung einer chirurgischen Handsäge zur Entfernung der Gelenkoberfläche

Anschließend mussten Löcher in die präparierten Flächen gebohrt werden, um die Komponenten der Endoprothese im Knochen zu verankern. Die so entstandenen Knochenmodelle sahen etwas eckig aus, entsprachen aber perfekt der Form der Innenseite der Implantate. Die endgültig implantierten endoprothetischen Oberflächen ähneln der natürlichen Form des Kniegelenks und ermöglichen homogene Roll- und Gleitbewegungen des Kunstgelenks. Da jeder Patient andere anatomische und physische Voraussetzungen hat, wurden uns verschiedene Implantate und Komponentengrößen gezeigt, aus denen die Chirurgen wählen können. Auf diese Weise kann für jeden Patienten das bestmögliche Ergebnis erzielt werden.

Bei der Entwicklung von Gelenkersatzimplantaten müssen Ingenieure und Chirurgen Hand in Hand arbeiten. Dieses Seminar bot uns als zukünftige Ingenieure der Biomechanik einen erstklassigen Austausch von praktischem medizinischem Wissen, das uns bei der Entwicklung zukünftiger Implantattechnologien sehr helfen wird.

Letzte Änderung: 17.01.2024 - Ansprechpartner: